Martin Gollmer
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Themen - Schweiz / Europa


02-07-2010 | Cassis-de-Dijon-Prinzip tritt in Kraft


Am 1. Juli 2010 ist das so genannte Cassis-de-Dijon-Prinzip in der Schweiz in Kraft getreten. Danach dürfen Produkte, die in der Europäischen Union (EU) rechtmässig verkauft werden, auch in der Schweiz ohne zusätzliche Kontrollen vertrieben werden. Ob dadurch wie erwartet die Preise kräftig purzeln werden, ist fraglich. Denn Ausnahmen und Vorschriften behindern umfassende Preissenkungen.

Bisher unterlagen etwa 50% der importierten EU-Produkte keinen Handelshindernissen. Dieser Anteil sollte nun auf rund 80% ansteigen. Gleichzeitig dürfen Schweizer Produzenten ihre für den Export nach EU-Richtlinien hergestellten Waren auch in der Schweiz absetzen – unter den gleichen Vorgaben wie Hersteller in der EU, die in die Schweiz exportieren.

Ob diese Anpassung an die EU-Richtlinien das Ende der Hochpreisinsel Schweiz bedeutet, darf bezweifelt werden. Denn dem revidierten Bundesgesetz über technische Handelshemmnisse wurden zu viele Zähne gezogen. So können Lebensmittel, welche die schweizerischen Vorschriften nicht erfüllen, jedoch in der EU zugelassen sind, in der Schweiz weiterhin nur mit einer Bewilligung des Bundesamtes für Gesundheit verkauft werden.

Auch im so genannten Nearfood-Bereich (z.B. Kosmetika) gibt es Einschränkungen: Warnhinweise müssen weiterhin zwingend in drei Landessprachenlesbar sein – im Gegensatz zur generellen Produktinformation, bei der eine Landessprache genügt.

Insgesamt etwa 60 Produktgruppen sind als Ausnahmen auf Negativlisten aufgefĂĽhrt. Dabei geht es um Produkte mit Zulassungspflicht wie Medikamente oder um verbotene Inhaltsstoffe wie Phosphat in Waschmitteln oder Blei in Farben und Lacken.

Die Konsumentenschützer und der Bund wollen die Auswirkungen des Cassis-de-Dijon-Prinzips genau im Auge behalten. Über mehrere Jahre hinweg will der Bund die allgemeine Preisstatistik auswerten und die Folgen der Gesetzrevision auch dank gezielter Erhebungen evaluieren. Der Bundesrat geht davon aus, dass sich die Importe um 2 Milliarden Franken pro Jahr verbilligen werden – eine Annahme, hinter die verschiedene Ökonomen aber Fragezeichen setzen.

Der Begriff „Cassis-de-Dijon-Prinzip“ geht auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von 1979 zurück. Streitobjekt war der aus schwarzen Johannisbeeren hergestellte französische Likör Cassis de Dijon. Die deutsche Bundesmonopolverwaltung für Branntwein wollte dem Lebensmittelkonzern Rewe die Einfuhr des Likörs verbieten, weil dieser nur einen Alkoholgehalt von 20 Volumenprozent hat. Die deutschen Gesetze schreiben aber einen Mindestgehalt von 32 Volumenprozent vor. Der Konzern klagte daraufhin beim EuGH. Dieser sah im Einfuhrverbot der deutschen Monopolverwaltung einen Verstoss gegen Artikel 28 des EG-Vertrags (Verbot von Einfuhrbeschränkungen) und hiess die Klage gut. Das Urteil galt als bahnbrechend. Aus ihm wurde in der Folge das Cassis-de-Dijon-Prinzip abgeleitet. Es besagt, dass alle Produkte, die in einem EU-Staat vorschriftsgemäss hergestellt wurden, in allen anderen Mitgliedstaaten verkauft werden dürfen.