Martin Gollmer
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Themen - Schweiz / Europa


06-10-2011 | Uni-Professor will Schweiz in die EU fĂĽhren


Die Schweiz sollte mit der Europäischen Union (EU) Beitrittsverhandlungen aufnehmen, sagt Philosophieprofessor Francis Cheneval in einem Interview mit dem „Magazin“ der Universität Zürich. Der Bilateralismus sei keine nachhaltige staatspolitische Option.

Die Europäische Union steckt wegen der Schuldenberge in einiger ihrer Mitgliedstaaten in der Krise. Ein EU-Beitritt ist in der Schweiz seit Jahren ein Tabu-Thema. Trotzdem fordert jetzt Francis Cheneval, Professor für Politische Philosophie an der Universität Zürich, die Schweiz solle Beitrittsverhandlungen aufnehmen. Warum? „Die Idee dahinter ist, dass die Schweiz, der es gut geht, in einer starken Verhandlungsposition wäre, während die EU in der Krise steckt“, argumentiert er in einem Interview mit dem „Magazin“ der Universität Zürich. „Deshalb wäre der Moment gut, um mit der EU ein vorteilhaftes Arrangement auszuhandeln.“ Ein solches Arrangement wäre zum Beispiel das Privileg, der Unionswährung Euro nicht beitreten zu müssen, wie es früher schon Grossbritannien und Schweden aushandeln konnten.

Hart ins Gericht geht Cheneval mit dem Bilateralismus. Die bilateralen Verträge seien „keine nachhaltige staatspolitische Option“, sondern „Bastelei auf hohem Niveau“. Er vergleicht die Verträge mit der Uhr von Liedermacher Mani Matter, die nach zwei Stunden stillsteht: „Die bilateralen Verträge sind zwei Stunden, nachdem sie unterzeichnet werden, bereits ĂĽberholt.“ Cheneval spielt damit auf das  Problem an, dass sich das EU-Recht dynamisch weiterentwickelt, während die Verträge statisch sind. Der Bilateralismus sei fĂĽr den Moment zwar keine schlechte Lösung, weil die Nachteile, die ein Alleingang in Europa hätte, damit vorĂĽbergehend ausgebremst werden konnten. Aber er sei nicht tragfähig. Als nächsten Schritt sieht Cheneval „eine Form der institutionellen Einbindung“. Ohne diese werde sich die Konfrontation mit der EU wieder zuspitzen.

Dass die Schweiz in Europa ein Sonderfall sei, hält Cheneval für „eine theoretische Fiktion“. Man finde auch in der EU neutrale, liberale Kleinstaaten mit direkter Demokratie. Es gebe ebenfalls EU-Mitgliedstaaten, die weniger Schulden und tiefere Steuern sowie ein kräftigeres Wirtschaftswachstum und ein höheres Bruttoinlandprodukt pro Kopf hätten als die Schweiz.



Auszug aus dem Interview mit Francis Cheneval