Martin Gollmer
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Themen - Schweiz / Europa


01-12-2009 | Grundlage für eine effizientere, bürgernähere und demokratischere EU


Mit einiger Verzögerung ist der Vertrag von Lissabon in Kraft getreten. Mit ihm werden die bestehenden EU-Verträge abgeändert. Dadurch soll das Wirken der Europäischen Union verbessert werden.

Am 1. Dezember 2009 ist der Vertrag von Lissabon in Kraft getreten. Durch ihn erhält die Europäische Union (EU) die Mittel, um auch mit 27 Mitgliedstaaten effizient arbeiten, die künftigen politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen bewältigen sowie bürgernäher und mit mehr demokratischer Legitimität funktionieren zu können. Der Vertrag von Lissabon ersetzt die bisherigen EU-Verträge nicht – er ändert sie bloss ab.

Die wichtigsten durch den Vertrag von Lissabon eingeführten Neuerungen sind:

  • Ausgebaute parlamentarische Kompetenzen: Die Mitentscheidungsmöglichkeiten des direkt gewählten Europäischen Parlaments in Bezug auf Gesetzgebung, Haushalt und internationale Abkommen werden ausgeweitet. Die nationalen Parlamente der EU-Mitgliedstaaten können durch eine neu geschaffene Regelung darauf Einfluss nehmen, dass die Europäische Union nur dann tätig wird, wenn auf EU-Ebene bessere Ergebnisse erzielt werden können (Gesetzgebung nach dem Subsidiaritätsprinzip).
  • Stärkeres Mitspracherecht der Bürger: Dank der neu eingeführten Bürgerinitiative werden eine Million Bürger aus verschiedenen EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, die Europäische Kommission (die EU-Verwaltungsbehörde) aufzufordern, neue Gesetzesvorschläge zu unterbreiten.
  • Ausgebaute und besser verankerte Bürgerrechte: Der Vertrag von Lissabon baut auf bestehenden Rechten auf und führt neue Rechte ein. Insbesondere garantiert er die Freiheiten und Grundsätze, die in der Charta der Grundrechte verankert sind. Dazu erhalten die Bestimmungen der Charta Rechtsverbindlichkeit.
  • Beschleunigte Entscheidungsfindung: Die Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit im Ministerrat (der Vertretung der EU-Mitgliedstaaten) wird auf neue Politikbereiche ausgedehnt, um so eine schnellere und effizientere Entscheidungsfindung zu begünstigen.
  • Mehr Kontinuität und grössere Sichtbarkeit: Mit der Wahl eines Präsidenten des Europäischen Rates für zweieinhalb Jahre (mit einmaliger Verlängerungsmöglichkeit) erhalten die Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs mehr Kontinuität. Die Sichtbarkeit der Europäischen Union nach aussen wird mit der Wahl eines Hohen Repräsentanten für die Aussen- und Sicherheitspolitik verbessert.
  • Freiwilliger Austritt aus der EU: Der Vertrag von Lissabon sieht erstmals die Möglichkeit zum Austritt eines Mitgliedstaats aus der Europäischen Union vor.

Mit dem Vertrag von Lissabon dürfte die Vertiefung der europäischen Integration wahrscheinlich für längere Zeit zum Stillstand kommen. In verschiedenen EU-Mitgliedstaaten macht sich bezüglich eines immer engeren Zusammenschlusses und der Übertragung immer weiterer Kompetenzen an „Brüssel“ Skepsis breit. Davon zeugen die Schwierigkeiten bei der Ratifizierung des Vertrags in Irland und Tschechien. Ein weiter gehender früherer Vertrag (der sogenannte Verfassungsvertrag) wurde von der Bevölkerung in Frankreich und in den Niederlanden in Volksabstimmungen im Jahr 2005 abgelehnt. Er konnte deshalb nicht in Kraft treten. An seiner Stelle wurde der bescheidenere Vertrag von Lissabon ausgearbeitet.

Mit dem Vertrag von Lissabon wird kein europäischer Superstaat geschaffen. Die Mitgliedstaaten behalten mit dem Ministerrat und dem Europäischen Rat ihre starke Rolle in der Gesetzgebung und in strategischen Weichenstellungen. Mit der Gewährung von Mitwirkungsmöglichkeiten an die nationalen Parlamente wird der Einfluss der Mitgliedstaaten sogar noch gestärkt.

Auch mit den Änderungen des Vertrags von Lissabon bleiben die Entscheidungsprozesse in der Europäischen Union kompliziert und die Zuständigkeiten der EU unübersichtlich. Dies ist nicht Unvermögen, sondern Ausdruck eines fein austarierten Gleichgewichts zwischen Verfechtern eines supranational (überstaatlich) ausgerichteten Integrationsmodells einerseits und eines zwischenstaatlich angelegten Zusammenarbeitsprozesses andererseits.

Quelle: Europäische Kommission, 1. Dezember 2009



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